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Die Schweizer EM-Fahrerinnen verdienen deutlich weniger als männliche Fussballer. Bei einigen Topklubs erhalten die Männer 100 Mal so viel wie die Frauen – obwohl sie denselben Job beim selben Arbeitgeber ausüben.
02.07.2022, 09:5502.07.2022, 12:02
Raphael Gutzwiller / ch media
«Riola!», schreit das Mädchen auf der Tribüne des Letzigrundstadions. Sie hält Riola Xhemaili ihr Smartphone hin, die Nationalspielerin nimmt dieses entgegen und knipst ein Selfie. Dieses Prozedere wiederholt sie einige Male, weitere Kinder schreien. Sie lächelt in die Kameras, danach unterschreibt sie noch diverse Trikots. Ein Mädchen weint, als sie kurz mit Xhemaili sprechen kann.
Die Schweizer Nationalspielerinnen sind für die Kinder im Stadion längst Stars. Das ist nach der 0:4-Niederlage gegen England zu spüren. Zeiten, in denen das Frauen-Nationalteam wenig interessierte, sind längst vorbei. Gegen England kommen zu einem Frauen-Länderspiel in der Schweiz erstmals über 10’000 Menschen. Auf der Tribüne tragen Menschen Nati-Trikots mit den Namen Xhemaili, Wälti, Bachmann oder Maritz.
Während die Nationalspielerinnen zu Stars für die kommende Generation werden, spielen einige von ihnen in ihrem Alltag bei den grössten Klubs der Welt. Bei Paris Saint-Germain, beim FC Barcelona, bei Arsenal.
Doch wer beim Lesen der prominenten Arbeitgeber glaubt, dass die Fussballerinnen fürstlich entlöhnt werden, täuscht sich. Lia Wälti etwa, Angestellte bei Arsenal und Captain des Schweizer Nationalteams, sagt: «Bei einem gut bezahlten KV-Job würde ich mehr erhalten.»
Diese Aussage ordnet gut ein, wo selbst gute Löhne im Frauenfussball liegen. Innerhalb des Nationalteams zählt Wälti nämlich zu den Topverdienerinnen. Nur Ramona Bachmann von Paris Saint-Germain und Ana Maria Crnogorcevic von Barcelona dürften besser verdienen als sie. Dagegen erhalten auch viele der Söldnerinnen in den Topligen Europas nicht aussergewöhnlich viel. Zwar sind sie alle Profis, viele verdienen aber nur zwischen 2000 und 3000 Franken monatlich.
Würde in enem guten KV-Job besser verdienen: Nati-Captain Lia Wälti.Bild: keystone
Für die Nati-Spielerinnen im Ausland stellt sich damit auch die Frage, wie sie den Lebensunterhalt bestreiten. Viele wohnen in Wohngemeinschaften mit anderen Spielerinnen, um irgendwie durchzukommen. Vom Star- und Luxusleben wie den Fussballstars aus den Männer-Topligen sind sie meilenweit entfernt.
Besonders deutlich wird es mit konkreten Beispielen: Frankfurt-Topverdiener Filip Kostic verdient ungefähr 100-mal so viel wie Géraldine Reuteler. Die Nationalspielerin ist mit Eintracht Frankfurt beim selben Klub angestellt, ihr Alltag ist vergleichbar. Im Gespräch macht sie deutlich, dass sie keinen ähnlichen Lohn erwarte, schliesslich würden die Männer für die Klubs dank Tickets, Fernsehgelder oder Sponsorenverträge immer noch mehr einnehmen. Nur das grobe Verhältnis empfindet sie als störend. «Wir machen denselben Job für denselben Arbeitgeber», sagt Reuteler.
Rachel Rinast (rechts) könnte auch als Lehrerin arbeiten.Bild: keystone
Rachel Rinast vom 1. FC Köln hat das deutsche Lehramt absolviert und sagt: «Wenn ich bei Köln Bundesliga spiele, verdiene ich ähnlich viel wie eine Referendarin, die noch nicht ganz Lehrerin ist.» Das Geld, das sie in der Bundesliga verdiene, reiche gerade so zum Leben, auf die Seite legen könne man nichts. Für die Nationalspielerinnen ist es darum nötig, sich während der Karriere mit dem Danach zu beschäftigen.
Noch schlechter verdienen Spielerinnen in der Schweiz. Hierzulande gibt es nur ein paar wenige Profis. Beim Meister FC Zürich, von dem sechs Athletinnen für die Schweiz an die EM dürfen, ist keine nur Fussballerin. Meriame Terchoun sagt: «Ich finde, wir erhalten zu wenig. Das soll sich ändern.» Im Männerfussball habe derselbe Arbeitgeber genug Geld, sehr gute Löhne zu bezahlen. Bei den Frauen sieht dies anders aus: Die Spielerinnen des FCZ verdienen mit Prämien dank Meistertitel und Cupsieg rund 6000 Franken – pro Jahr. Deshalb müssen alle neben dem Fussball noch einer Arbeit nachgehen. Die Lohnunterschiede zwischen der Schweiz und den Topligen ist faktisch noch grösser, da die Lebenunterhaltskosten hierzulande höher sind als in Spanien oder Deutschland.
Superstar beim FC Barcelona: Die Spanierin und Weltfussballerin Alexia Putellas.Bild: keystone
Einer der grössten Klubs im Frauenfussball ist der FC Barcelona. Zweimal spielte das Frauenteam, bei dem auch Crnogorcevic unter Vertrag steht, zuletzt vor über 90’000 Menschen im Camp Nou. Dennoch bezahlt der Champions-League-Finalist den Frauen im Vergleich zum Männer-Team deutlich weniger. Superstar und Weltfussballerin Alexia Putellas soll nach Schätzungen etwa 30’000 Franken pro Monat erhalten. Gutes Geld zwar, doch der Vergleich ist heftig: Gerard Piqué erhält beim selben Arbeitgeber pro Monat etwa 2.3 Millionen Franken. Zudem wird für das Männerteam trotz finanzieller Schwierigkeit weiter teuer eingekauft.
Um den Vergleich zum Männerfussball geht es in den Gesprächen nur am Rande. Die Spielerinnen fordern keine ähnlichen Löhne, fragen sich aber, warum die Differenz so gross sein muss. Bei den Männern sitzt das Geld lose, bei den Frauen wird über jeden Franken diskutiert.
Coumba Sow im Spiel gegen Kroatien.Bild: keystone
Ein gutes Beispiel ist Coumba Sow, die beim Paris FC spielt. Daneben möchte sie ihr Fernstudium in sozialer Arbeit vorantreiben, um für die Karriere danach vorbereitet zu sein. Kostenpunkt pro Monat: 300 Franken. Zu viel für Sow. Würde sie das Geld bezahlen, müsste sie ihr Leben deutlich anpassen. Besonders brisant ist bei ihr der Vergleich mit ihrem Cousin Djibril Sow. Dieser ist Nationalspieler und Spieler bei Eintracht Frankfurt. Er verdient ein Vielfaches seiner Cousine, muss sich über Geld keine Gedanken machen. «Ich mag es ihm sehr gönnen und würde von ihm auch nie Geld akzeptieren. Aber der Vergleich innerhalb der Familie ist hart», sagt Coumba Sow.
Der Frauenfussball erlebt gerade einen Boom, die Europameisterschaft in England wird diesen Effekt weiter verstärken. Damit werden die Nationalspielerinnen immer mehr zu Stars. In ihren Löhnen spiegelt sich das aber noch nicht. (aargauerzeitung.ch)
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