“Denke, er wird nach diesem Turnier gehen”: Gary Lineker spricht im ARD-Interview über Englands Nationaltrainer Gareth Southgate und über das Auftreten der “Three Lions” bei der EM.
Vor einem halben Leben, als er mit England im Halbfinale der WM 1990 an Deutschland gescheitert war, ist auch Gary Lineker um eine Einschätzung gebeten worden. Lineker war vielleicht Englands bester Spieler in diesen Jahren, ein Torjäger, dem der Ball gehorchte. Er sagte: “Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten einen Ball und am Ende gewinnen immer die Deutschen.”
Dreieinhalb Jahrzehnte sind seitdem vergangen, aber der Satz ist geblieben. Das Internet spuckt ihn aus, wann immer nach Lineker gesucht wird. Damals mag die Aussage richtig gewesen sein. Aber sie ist einigermaßen schlecht gealtert. Zu beobachten ist das auch in diesen Wochen: Bei der EM in Deutschland ist der Gastgeber im Viertelfinale unglücklich an Spanien gescheitert. England hingegen steht im Halbfinale.
Lineker hat der ARD vor dem Spiel der Engländer gegen die Niederlande am Mittwoch (10.07.2024, ab 20.15 Uhr im Live-Stream, im Live-Ticker und in der Radio-Reportage) ein Interview gegeben. Als ihn der ARD-Experte Thomas Hitzlsperger fragt, ob diese englische Mannschaft die beste aller Zeiten sei, besser als jene Mannschaft, die 1966 den WM-Titel holte, besser auch als die Mannschaft, die 1990 an Deutschland scheiterte, sagt Lineker: “Auf jeden Fall.”
Natürlich ist Lineker, 63, längst kein aktiver Fußballer mehr. Er ist nun ein Experte im britischen Fernsehen. Als solcher hat er zuletzt manchmal Gareth Southgate, den Nationaltrainer Englands, kritisiert. Southgate ist seit 2016 für die “Three Lions” verantwortlich. Er hat England bei der WM 2018 ins Halbfinale geführt, bei der EM 2021 ins Endspiel und bei der WM 2022 ins Viertelfinale. Und doch war da immer auch Kritik, mit ihr war Lineker nicht alleine.
Auch bei dieser Endrunde tut sich Englands Nationalmannschaft schwer, überraschend schwer. Ihr Fußball ist zögerlich, es fehlt trotz Fußballern wie Jude Bellingham, Phil Foden oder Harry Kane an Tiefe, Ideen, Toren. Erst gegen die Schweiz habe England besser gespielt, sagt Lineker im ARD-Interview. Zumindest ein wenig. Mit einer Dreierkette in der Defensive, mit etwas Tiefe und manchmal auch mit Mut.
Das war nicht vergleichbar mit dem Fußball der Spanier, der aufregend war und mitreißend. Auch Deutschland spielte oft ansehnlicher als England. So sieht das auch Lineker. Er “liebe” den Fußball, den Deutschland gezeigt habe, sagt er. “Aber Deutschland ist raus.” Wenn es um England gehe, sei er deshalb durchaus zu Kompromissen bereit. “Ich würde lieber langweiligen Fußball sehen und gewinnen. Es ist ein Lebensziel von mir, mal zu sehen, wie England irgendetwas gewinnt.”
Und das wäre natürlich ein versöhnliches Ende einer EM, die für England ohne Niederlage, aber doch mit einigen Enttäuschungen begonnen hatte. Überhaupt, das Ende. Lineker sagt: “Es kommt nicht darauf an, wie man in ein Turnier startet. Sondern wie man es beendet.”
Wie England dieses Turnier beenden wird, mit einem Aus im Halbfinale, mit dem Einzug ins Endspiel oder mit dem Titel, das ist noch offen. Offen ist auch die Zukunft des Nationaltrainers Southgate. Lineker hat da so eine Ahnung. Er sagt: “Ich denke, er wird nach diesem Turnier gehen, egal, was passiert.”
In Erinnerung bleiben werde von Southgates Zeit manches, die Kritik an ihm, und auch sein Umgang mit den Spielern, sagt Lineker. Er habe bei den “Three Lions” für eine “Harmonie und ein Zusammengehörigkeitsgefühl” gesorgt, “wie wir es schon lange nicht mehr hatten”.
Und dann ist da noch die Sache mit dem Elfmeterschießen. Vom Punkt ist England manchmal gescheitert, etwa im Halbfinale bei der EM 1996. Den entscheidenden Elfmeter vergab ein Verteidiger, der darunter lange gelitten hat: Gareth Southgate. Als Trainer von England hat er das mit den Schüssen aus elf Metern auch deshalb oft üben lassen.
Im Viertelfinale gegen die Schweiz hat sich das Training ausgezahlt. Englands Fußballer verwandelten alle ihre Elfmeter – so zog die Mannschaft ins Halbfinale ein.
Ganz am Ende des Interviews stellt Thomas Hitzlsperger eine Frage, die auch eine Anspielung auf Linekers Satz aus dem Jahr 1990 ist. Hitzlsperger fragt, ob England vielleicht das neue Deutschland sei, das nicht gut spiele, aber Titel gewinne? Dazu werde er nichts sagen, sagt Lineker. Ein Fluch sei das Letzte, was England benötige. “Ich kann nur hoffen.”