Rechtzeitig zum Auftakt eines epischen Dramas erhellte an jenem Sonntagnachmittag die Sonne die grüne Bühne, die vor Henrik Stenson und Phil Mickelson lag. Selten bietet sich an der schottischen Westküste solch eine Gelegenheit wie damals, im Juli 2016, um 15.35 Uhr Ortszeit, als im Hafenstädtchen Troon, etwa 50 Kilometer südwestlich von Glasgow, der Wind sich legte und stattdessen eine wohlige Wärme sich ausbreitete. In den Tagen zuvor hatte es geregnet und gestürmt, eine typische Bosheit des schottischen Sommers. Oft macht er aus freundlichen, puristischen Golfplätzen monströse, unerbittliche Orte, die nicht zum Spazieren einladen, schon gar nicht mit einem Golfbag.
Es war aber ein freundlicher Nachmittag, als sich der Schwede Stenson, der noch nie ein Major-Turnier gewonnen hatte, und der US-Amerikaner Mickelson, der hinter Tiger Woods immer der Zweitbeste gewesen war, die Hand schüttelten. Dann nahmen sie ihre Schläger und machten sich gemeinsam auf zum ersten Abschlag – und in die Golf-Geschichtsbücher. In eines der gigantischsten Duelle, die der Golfsport je erlebt hat. In ein sporthistorisches Ereignis, das viel über ein Publikum und einen Ort erzählt, an dem von Donnerstag an erneut die Open Championship, so der offizielle Name, ausgespielt werden. Und über die Protagonisten, die sich später in ihrer Karriere entschieden, ihre Geschichte noch einmal neu zu erzählen.
Aber zurück ins Jahr 2016: Beide Kontrahenten hatten sich eine fabelhafte Ausgangssituation schon in den ersten drei Runden geschaffen. Fünf, respektive sechs Schläge lagen Mickelson und Stenson bei Beginn der Battle of Troon vor dem Rest des Feldes, im Profigolf sind das Welten. Die äußerst versierten schottischen Zuschauer waren ein guter Indikator: Die 79 Nebendarsteller, die in aller Würde ihre Runden spielten, wurden mit respektvollem Applaus begleitet. Der Fokus der Menge aber lag vom ersten Schlag an auf Mickelson und Stenson.
Auf der riesigen Anlage des Royal Troon Golf Club, die sich in Länge und Breite über Kilometer erstreckt, drehte sich alles nur um diese beiden Profis. Das war zu hören, in leisen Gesprächen am Rande der Grüns, in den unheimlich lauten „Aaahs“ und „Ooohs“ die sich nach Schlägen der beiden über den Platz legten, und überall war zu spüren: Es ging nur um das Duell der beiden Hauptdarsteller. „Es war die elektrischste Atmosphäre, die ich jemals erlebt habe. Vielleicht gab es so etwas sonst nur bei Ryder Cups“, sagte Mickelsons damaliger Caddie Jim MacKay zu Sports Illustrated.
Im Golf gibt es im Gegensatz zu den meisten Sportarten keine feste Arena, sie wird von Bahn zu Bahn neu kreiert von den umherziehenden Massen, die sich in Schottland ganz anders verhalten als im Rest der Welt. In den USA sind Golfturniere Events, man trinkt und brüllt und möchte unterhalten werden; in Kontinentaleuropa haben sie den netten Charakter kleiner Randsportveranstaltungen. In Schottland? Alles anders, alles besser, The Open sind das Ereignis des Sportjahres, geprägt von einer innigen Liebe zum und einer Faszination für das Spiel, das vor Jahrhunderten an Ort und Stelle erfunden wurde: In Troon wächst noch immer das borstige, hohe Gras über die Sanddünen, über das einst Schafhirten ihre Herden führten und einer Legende nach aus Langeweile einen kleinen Ball mit ihren Hirtenstäben vor sich hertrieben.
Nun trieben Stenson und Mickelson, in gewisser Weise ihre Nachfahren, den Ball in Perfektion vor sich her. Sie spielten sich schnell warm in der Sonne, die Führung wechselte mehrmals, nahezu jeder Schlag war perfekt. Im Verlauf der gut vier Stunden, die diese Runde dauerte, bis heute im Internet in voller Länge zu bewundern, erspielte Stenson sich letztlich einen Vorsprung von drei Schlägen, mit teils absurden Putts aus großer Distanz, auf eine Weise, wie es einem nur ein Mal in der Karriere gelingt. Mickelson hielt mit, spielte selbst fabulöses Golf. Zwar kann nur einer gewinnen, in epischen Duellen aber, wie dem Schwergewichtsboxkampf zwischen Muhammad Ali und Joe Frazier, bekommen beide Gegner höchste sportliche Anerkennung. So war das auch bei Stenson und Mickelson.
Auch wenn der Schwede am Ende auf der großen, gelben Tafel vor dem Klubhaus an erster Stelle geführt wurde: Zu diesem Duell gehört neben dem Sieger auf ewig auch der Zweite. Der Dritte, J.B. Holmes, hatte elf Schläge Rückstand auf Mickelson – und 14 auf Stenson. Es gibt weitere, einzigartige Statistiken zu diesem mystischen Sonntag: Mickelson etwa hätte mit seinem Gesamtergebnis 141 der 145 Ausgaben der British Open gewonnen; durchschnittlich benötigten die Spieler im Feld am Sonntag 73 Schläge, Stenson spielte eine Runde in 63, Mickelson eine Runde in 65 Schlägen; und: Mickelson spielte an diesem Sonntag die viertbeste Runde in der Geschichte seiner Sportart. Nur drei Profis waren jemals besser: zweimal Tiger Woods (2000 bei den US Open und 1997 beim Masters) – und Stenson. Stoff für Legenden, der aber auch eine Frage aufwarf: Warum haben die beiden Protagonisten darüber nie geredet?
Ihr ganzes Leben mussten Ali und Frazier Fragen zum „Thrilla in Manila“ beantworten, Stenson und vor allem Mickelson jedoch spielten einfach weiter. Nie wurde das Duell zwischen den beiden thematisiert – bis sie sich vergangene Woche doch zusammenfanden, vor einer Fernsehkamera. In ihrer neuen Funktion.
Als Teamkapitäne des „Majesticks GC“ und des „HyFlyers GC“ nahmen beide vor Kameras der saudi-arabischen LIV-Tour Platz, für ein langes Interview, in dem sie über ihre damalige Runde sprachen. „Ich werde oft gefragt, ob wir untereinander viel über diese Runde sprechen“, sagte Stenson: „Aber er will das nicht so gerne.“ Mickelson gratulierte seinem Konkurrenten allerdings doch, er sagte in dem launigen Gespräch nur wenige ernsthafte Sätze wie diesen: „Es war das einzige Mal, an das ich mich in meiner Karriere erinnern kann, dass ich mein absolut bestes Golf gespielt habe und es nicht zum Sieg gereicht hat.“
Trotz allem Spaß blieb nach diesem Gespräch ein fahler Beigeschmack: Mickelson und Stenson haben sich in den Spätphasen ihrer Karrieren als Agenten für die mit viel Geld geschaffene Profi-Tour aus Saudi-Arabien verdingt. Das etablierte System der PGA-Tour aus den USA ließen sie mit viel Aufsehen hinter sich: Mickelson wurde in den vergangenen Jahren in Hinterzimmern und in den Sozialen Medien gar zu einer Art Aktivist gegen seine einstige Heimat. Stenson gab für seinen Wechsel auf die Saudi-Tour im Jahr 2022 gar das Amt des europäischen Ryder-Cup-Kapitäns ab, ein nie da gewesener Affront.
Nun sind die beiden Profis Beispiele dafür, wie brutal Sportswashing funktionieren kann: Saudi-Arabiens LIV-Tour nämlich kaufte sich mit viel Geld nicht nur zwei Golfer mit großen Namen ein – sondern auch ihre Vorgeschichte. Die Erinnerung an einen der größten Nachmittage des Golfsports, an ein legendäres Duell in der schottischen Sonne von Troon, vor jener atemraubenden Kulisse, die die Ursprünge dieses Sports repräsentiert – sie verliert dadurch an Glanz.