Für Thomas Tuchel ist der Job als englischer Nationaltrainer eine Chance, es allen Zweiflern hierzulande zu zeigen. Zugleich ist Tuchels Ernennung durch die FA eine Anerkennung für Deutschland – nicht unbedingt für den FC Bayern. Ein SPORT1-Kommentar von Robin Wigger, Head of Newsroom.
Interimstrainer Lee Carsley hatte einen „Weltklasse-Trainer“ für England gefordert – und den hat die Football Association (FA) nun bekommen: Thomas Tuchel wird neuer Trainer der englischen Nationalmannschaft, als Nachfolger von Gareth Southgate, der die Three Lions zwar bei zwei Europameisterschaften in Folge ins Finale führte, aufgrund der Spielweise aber immer wieder in der Kritik stand und nach der EM im Sommer zurücktrat.
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England träumte von Pep Guardiola, doch die FA hat mit Tuchel die bessere Lösung gefunden. Denn das Fußball-Mutterland braucht sofortige Hilfe und kann nicht auf eine Entscheidung des zaudernden katalanischen Genies warten, auch wenn dieser vielleicht ein wenig mehr Funkeln in den Augen verursacht. So wie auch Tuchel nicht auf eine Entlassung Erik ten Hags bei Manchester United warten wollte.
Dass nun ausgerechnet ein Mann aus dem Land des großen Fußball-Rivalen die reizvolle Aufgabe übernimmt, mag erstmal gewöhnungsbedürftig sein.
Meinungen von Presse und Experten, die von „Verrat am englischen Prinzip“ schreiben oder davon, England müsse „bis zum letzten Mann im Trikot englisch sein“ (Daily Mail), wirken aber aus der Zeit gefallen, zumal Tuchel mit Anthony Barry einen englischen Co-Trainer mitbringt. Und: Die Anmerkung, es bräuchte jemanden, „der mit den besten und schlechtesten Eigenschaften unseres Landes vertraut ist“, passt doch bestens auf Tuchel.
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Welcher englische Trainer hat mehr vorzuweisen als Tuchel?
Nahezu grotesk wirkt auch der Kommentar des langjährigen Premier-League-Trainers Harry Redknapp, der sich ebenfalls für einen englischen Trainer aussprach und auf Tuchels kurze Halbwertszeit bei Vereinen und geringe Erfolge hinwies. Welcher aktuelle englische Trainer hat denn mehr vorzuweisen als Tuchel?
Der deutsche Erfolgscoach feierte nicht nur mit dem FC Chelsea große Erfolge, gewann mit den Londonern (2021 im Finale gegen Pep Guardiola) die Champions League – und wurde im September 2022 100 Tage nach der Übernahme der neuen Bosse überraschend entlassen. Erfolg sucht man seitdem bei den Blues vergeblich.
Tuchel kennt die Premier League, Tuchel kennt die Presselandschaft. Tuchel kennt aber auch die Wertschätzung, die er auf der Insel erhalten hat. Im Übrigen mehr als in Deutschland, wie er betont hat. Tuchel‘s coming home, könnte man fast meinen.
Tuchel wird anecken, kann es aber allen Zweiflern zeigen
Wichtiger als die Zustimmung der Presse und Experten ist ohnehin die Zustimmung der Mannschaft, aus der er einige Spieler bereits kennt. Der englische Kapitän Harry Kane, der Tuchel in seiner Bayern-Zeit schätzen gelernt hat, schwärmte von einem „fantastischen Trainer“ und „fantastischen Menschen“.
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Das vermeintliche Risiko der Unerfahrenheit als Nationaltrainer hat ein anderer deutscher Kollege beim DFB bestens widerlegt.
Tuchel wird anecken, kann es aber allen Zweiflern zeigen. Jenen in England, die allzu patriotisch unterwegs sind. Jenen in Deutschland, die ihn vom Hof jagten.
Anerkennung für Deutschland – nicht unbedingt für FC Bayern
Dass neben Julian Nagelsmann mit Tuchel in England und Hansi Flick beim FC Barcelona zwei deutsche Trainer zwei der begehrtesten Fußball-Jobs besetzen, ist auch eine Anerkennung für Deutschland.
Nicht unbedingt aber für den FC Bayern, der alle drei Coaches bereits verschlissen hat. Doch das ist eine andere Geschichte.
Ein WM-Finale 2026 zwischen Deutschland und England, zwischen Nagelsmann und Tuchel? Eine faszinierende Vorstellung – vielleicht sogar für Uli Hoeneß.