21.05.2024, 14:03 Uhr
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Bis 2028 baut Deutschland gemeinsam mit Großbritannien eine 720 Kilometer lange Stromverbindung. Laut Bundeswirtschaftsminister Habeck ist das ein wichtiger Schritt in Richtung Klimaneutralität. Auch Experten sehen das Vorhaben positiv: Sie erwarten eine Entlastung für viele Verbraucher.
Mit dem symbolischen Spatenstich in Wilhelmshaven beginnt auf deutscher Seite der Bau der als “NeuConnect” bekannten direkten Stromverbindung zwischen Großbritannien und Deutschland. Die Investitionskosten des Vorhabens werden von einem internationalen Konsortium getragen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat die Bedeutung des Baustarts der ersten direkten deutsch-britischen Stromverbindung, für die anvisierte Klimaneutralität und Versorgungssicherheit beider Länder betont.
Die Stromverbindung hat eine vorgesehene Kapazität von 1,4 Gigawatt und soll bis zu 1,5 Millionen Haushalte mit Strom versorgen. Die Leitung soll 2028 in Betrieb genommen werden. Experten erwarten, dass die Stromversorgung durch diese Stromverbindung sicherer sein und einen positiven Effekt auf die Preise haben wird.
“Das klimaneutrale Stromsystem braucht Flexibilität. Deshalb bauen wir nicht nur die Stromnetze in Deutschland aus, sondern sorgen auch für Stromtrassen zu unseren Nachbarn”, erklärte Habeck in einer Pressemitteilung. “Der Bau dieser Stromverbindung ist einer von vielen Bausteinen der Dekarbonisierung, verbunden mit weiterhin höchster – auch grenzüberschreitender – Versorgungssicherheit. Beides muss Hand in Hand gehen.” Die enge deutsch-britische Zusammenarbeit auf diesem Gebiet sei ein gutes Vorzeichen für weitere Kooperationsprojekte.
Bei dem Spatenstich in Wilhelmshaven sind neben Habeck unter anderem auch der britische Staatsminister für Handelspolitik Gregory Hands und der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies vor Ort. NeuConnect soll auf einer Länge von etwa 720 Kilometer die beiden Übertragungsnetze Deutschlands und Großbritanniens miteinander verbinden.
Die Stromverbindung soll vom geplanten Umspannwerk Isle of Grain in der Grafschaft Kent zum Umspannwerk Fedderwarden im Stadtgebiet von Wilhelmshaven verlaufen. Dabei quert sie auch das Hoheitsgebiet der Niederlande. Die Länge des deutschen Teils der Leitung beträgt 193 Kilometer. In der Nordsee ist demnach die Leitung als Unterseekabel und auf der deutschen Landseite als Erdkabel geplant.
Großbritannien, das wie Deutschland bis zur Mitte des Jahrhunderts klimaneutral werden will, verfügt laut Ministerium über erhebliche Potenziale bei der Erzeugung von Offshore-Windenergie und plant, bis 2030 auf 50 Gigawatt installierte Leistung auszubauen. “Über NeuConnect wird daher perspektivisch grüner Strom nach Deutschland fließen”, so das Ministerium.
Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) wertet das Vorhaben positiv, da es eine Entlastung der Verbraucher darstelle und zu einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis führen werde. “Der Spatenstich für die erste direkte Stromverbindung zwischen Großbritannien und Deutschland ist ein weiterer wichtiger Baustein zur Sicherung der Stromversorgung in Europa”, erklärte VDI-Energieexperte Harald Bradke. “Diese Interkonnektoren ermöglichen den Stromaustausch zwischen den Stromnetzen in Europa und erhöhen damit den Wettbewerb und die Versorgungssicherheit”.
Laut Bundesnetzagentur ist Deutschland bereits seit Jahren mit allen seinen Nachbarn sowie mit Schweden und Norwegen durch Stromnetze verbunden. Bis 2022 erwirtschafteten die Stromerzeuger so einen Exportüberschuss. 2023 wurde erstmals mehr importiert als exportiert. Dazu beigetragen hatte in geringem Maße auch das Abschalten der letzten deutschen Atomkraftwerke, vor allem war es aber eine Preisfrage: Besonders im Norden Europas sei viel günstiger Windstrom produziert worden, erklärte Bradke. Deshalb seien “die teureren fossilen deutschen Kraftwerke nicht benötigt” worden.
Angesichts der britischen Pläne könnte sich die Absatzrichtung aber perspektivisch ändern. In der Nordsee sind mit Dogger Bank sowie Hornsea die größten Windfarmprojekte der Welt im Bau. Dabei mischen auch deutsche Unternehmen auf dem britischen Offshore-Windenergiemarkt mit. “RWE gehört mit derzeit zehn laufenden und neun geplanten Offshore-Wind-Projekten zu den größten Entwicklern im Land”, erklärte Marc Lehnfeld von der bundeseigenen Gesellschaft Germany Trade and Invest (GTAI). “Auch EnBW entwickelt derzeit drei Offshore-Windfarmen an der britischen Küste.”
Allerdings sei die Branche auch unter Druck. “Deutlich gestiegene Kosten für die Windanlagen selbst, aber auch aufseiten der Finanzierung lassen die Entwicklung weiterer Windfarmen vorerst stocken”, sagte Lehnfeld. Einen Schub geben könnte die derzeit laufende, sechste Förderrunde für Projekte aus erneuerbaren Energien. Mit 800 Millionen Pfund ist der Großteil des Fördertopfes für die Offshore-Windenergie reserviert.
Der Verband Renewable UK und das Innovationszentrum Cluster Offshore Renewable Energy (ORE) Catapult kritisieren aber, das Fördervolumen werde nicht ausreichen, um die Lücken der letzten, leer ausgegangenen Förderrunde zu schließen.