Die deutsche Nationalmannschaft der Frauen startet erfolgreich in die Wück-Ära. Die Three Lionesses kassieren die Revanche für das EM-Finale. Trotzdem zeigt unter anderem eine Bayern-Spielerin die Schwächen des DFB-Teams auf.
Christian Wück hat bei seinem traumhaften Bundestrainer-Einstand sofort einen Prestigesieg auf dem heiligen Rasen von Wembley gefeiert. Die deutschen Fußballerinnen gewannen die atemlose Neuauflage des EM-Finals von 2022 gegen den Vize-Weltmeister England verdient mit 4:3 (3:2), von Setzrissen nach dem großen Umbruch war auch dank zweier Tore der neuen Kapitänin Giulia Gwinn kaum eine Spur.
Wück blickte in den Himmel, als vor dem Anpfiff ein Feuerwerk die legendäre Londoner Fußball-Kathedrale erleuchtete. Auf den ersten Knalleffekt musste er vor 47.967 Fans nicht lange warten: Schon nach zwei Minuten bekam seine Mannschaft durch einen Abspielfehler der englischen Kapitänin Leah Williamson einen Foulelfmeter quasi geschenkt – Gwinn verwandelte sicher (4.) unten links.
Damit hatte sich auch Wücks erste Personalentscheidung früh ausgezahlt. Denn Debütantin Giovanna Hoffmann (RB Leipzig), die den Pass auf die gefoulte Linda Dallmann spielte, hatte der Bundestrainer nach den kurzfristigen Sturm-Ausfällen von Lea Schüller und Laura Freigang mehr oder weniger aus der Not aufgestellt. Später gab Hoffmann auch noch ihren ersten Assist.
Wück im Glück – das setzte sich im Kampf um die EM-Revanche an selber Stelle (1:2 n.V.) zunächst fort und fort und fort. Dem vermeintlichen 1:1 durch Alessia Russo (10.) ging eine Abseitsstellung voraus, es zählte nicht. Dann spielte Klara Bühl einen präzisen Seitenwechsel auf Gwinn, die aus 14 Metern an den Innenpfosten und zum 0:2 einschoss (11.).
Es blieb hochklassig und spektakulär, unmittelbar folgte ein englischer Pfostentreffer durch Russo (13.): Der Nachfolger von Horst Hrubesch erlebte wahrlich keine ruhigen ersten Bundestrainer-Minuten, aber erfolgreiche. Der 51-Jährige lief trotzdem immer wieder durch seine Coaching-Zone und monierte einfache Ballverluste, DFB-Präsident Bernd Neuendorf sah es auf der Tribüne mit Vergnügen.
Die Rücktritte der langjährigen Kapitänin Alexandra Popp, von Abwehrchefin Marina Hegering und Torhüterin Merle Frohms hätten das gesamte Gebilde der Olympiadritten ins Wanken bringen können, aber so kam es nicht. Im Gegenteil: Bühl erzielte sogar das dritte Tor (29.), sie traf nach einem Haken trocken ins kurze Eck.
Wück jubelte mit beiden Fäusten und brüllte vor Freude, die jedoch nur währte, bis Gwinn mit der Hand im Grätschen unglücklich einen Elfmeter verursachte. Ihre Bayern-Teamkollegin Georgia Stanway ließ der Olympiaheldin Ann-Katrin Berger keine Chance und holte England in ein überragendes Spiel zurück: Sie traf gleich noch einmal (33./36.).
Nicht nur bei einem katastrophalen Fehlpass von Sara Doorsoun (39.) fiel mehr und mehr auf, dass die Abstimmung in der deutschen Defensive nicht stimmte. Doch immer wieder gab es offensive Glanzpunkte wie Linda Dallmanns 30-Meter-Schuss an die Querlatte (45.+4) oder Jule Brands aberkanntes Tor (51.) nach vorheriger Abseitsposition der eingewechselten Selina Cerci.
Hoffmanns ermutigendes Debüt hatte Wück zur Pause beendet und zudem hinten links Felicitas Rauch für Sarai Linder gebracht. Die Herausforderung blieb defensive Stabilität gegen stets gefährliche Gastgeberinnen, was die neuformierte deutsche Abwehr nun insgesamt besser löste. Deutschland erwartete England tiefer, nahm dem Spiel der Gegnerinnen dadurch die Schnelligkeit und konterte über Brand (59.) oder Bühl (61.) selbst stark – allerdings ohne das vierte Tor.
Das kam, als Sara Däbritz (72.) als Ersatzschützin für die inzwischen ausgewechselte Gwinn einen weiteren Elfmeter verwandelte. Russo hatte Pia-Sophie Wolter gefoult. Danach ließ Berger einen harmlosen Ball durch ihre Hände gleiten und ermöglichte Lucy Bronze das 3:4 (81.).
Wücks nächster Prüfstein folgt am Montag ab 18:10 Uhr, wenn Popp in Duisburg ihr Abschiedsspiel gegen Australien bestreitet. Erstes großes Ziel ist die EM im Sommer 2025 in der Schweiz.