Weil ein Plan seines Vaters nicht aufging, ist Jack Draper Großbritanniens große Tennis-Hoffnung. Bei den US Open ist er Überraschungsgast im Halbfinale gegen Jannik Sinner.
von SID
zuletzt bearbeitet:
06.09.2024, 08:59 Uhr
Es wäre alles ganz anders gekommen, hätte Roger Draper damals Erfolg gehabt. Großbritannien wäre zur Weltmacht im Tennis aufgestiegen, es hätte in den vergangenen 13 Jahren die vier Grand Slams dominiert – mit insgesamt 27 Titeln. Es wurden dann doch nur drei durch Andy Murray. Die anderen 24 gewann ein gewisser Novak Djokovic. Weshalb die Hoffnungen der Briten nun auf dem Sohn von Roger Draper ruhen, auf Jack Draper.
Der Plan von Roger Draper zeugte immerhin von Weitsicht. Von 2006 bis 2013 war der Vater des gerade überraschend bis ins Halbfinale der US Open vorgestoßenen Jack der Chef der LTA, also des britischen Tennisverbandes, und ein Teenager aus Serbien hatte sein Interesse geweckt. Ja, hat Djokovic bestätigt, “es gab ein Angebot, dass ich und mein Vater die britische Staatsbürgerschaft bekommen. Aber meine Eltern wollten nicht nach England.”
Nun hat es immerhin Jack Draper so weit geschafft wie kein anderer Brite seit zwölf Jahren, genau genommen seit 2012, als Andy Murray die US Open gewann. In New York steht der 22 Jahre alte Engländer im Halbfinale, Gegner ist nun der letzte verbliebene Top-Ten-Spieler im Feld: Jannik Sinner. Der Südtiroler besiegte im Viertelfinale Daniil Medwedew 6:2, 1:6, 6:1, 6:4. Draper gab beim 6:3, 7:5, 6:2 gegen Alex De Minaur aus Australien erneut keinen Satz ab.
Draper ist zweifelsohne der größte Überraschungsgast in einem Halbfinale, in dem lediglich der Weltranglistenerste Sinner erwartet worden war. Das zweite Duell bestreiten die Amerikaner Frances Tiafoe sowie Taylor Fritz, der Alexander Zverev aus dem Turnier geworfen hatte.
“Es ist eine Ehre, in dieser Position zu sein”, sagt Draper, “das ist ja auch der Grund, warum ich so hart gearbeitet habe. Für mich ist das ja nicht über Nacht passiert.”
Draper ist nicht nur ein hart arbeitender, sondern auch vielseitiger Zeitgenosse. Das fängt schon damit an, dass er Rechtshänder ist – aber die Vorhand mit links schlägt, und somit die Rückhand gewissermaßen als beidhändige Vorhand. Wenn er nicht gerade Tennis spielt, arbeitet Draper als Model. Er wird von derselben Agentur vertreten wie Heidi Klum oder Gisele Bündchen und tauchte kürzlich auch in der britischen Vogue auf.
Tatsächlich hat Draper harte Zeiten hinter sich. In der vergangenen Saison plagten ihn Verletzungssorgen, und “ja, es gab Zeiten, wo ich ins Aufhören gedacht habe”. Aber das vergangene Jahr sei deshalb auch “ein Wendepunkt” gewesen für ihn. Er habe es, sagt Draper, als sehr “frustrierend” empfunden, “junge Spieler” wie Sinner oder “wie Alcaraz gegen Djokovic im Wimbledon-Finale spielen zu sehen, wie sie all diese großartigen Turniere gewonnen haben”.
Draper also beschloss: “Ich muss mehr tun”, um es einem Sinner oder einem Alcaraz gleichzutun. Der erste Erfolg: Sieg beim ATP-Turnier im Juni in Stuttgart. Ab Montag wird der Londoner zudem mindestens die Nummer 20 der Welt sein. Sein Gegner im Halbfinale bezeichnet ihn als “einen guten Freund”, davon abgesehen sagt Sinner über Draper: “Er spielt ein unglaubliches Turnier.”
Hier das Einzel-Tableau aus New York