Am Sonntag (14.07.2024, 21 Uhr/live im Ersten und auf sportschau.de) kämpfen Spanien und England in Berlin um den Titel bei der Europameisterschaft 2024. Welches der beiden Teams hat die besseren Einzelspieler?
Geht es nach den bisherigen Auftritten bei der EURO 2024, dann geht Spanien als Favorit ins Finale gegen England. Die Mannschaft von Trainer Luis de la Fuente hat als erstes Team überhaupt sechs Spiele bei einer EM-Endrunde gewonnen. Darunter waren die schweren Partien gegen Kroatien (3:0), Italien (1:0), der Schlagabtausch im Viertelfinale gegen Deutschland (2:1 nach Verlängerung) sowie der Halbfinalerfolg gegen Frankreich (2:1).
England indes stand bei der EM 2024 lange in der Kritik. Die “Three Lions” böten trotz ihres herausragenden Kaders zu wenig attraktiven Fußball, so der Hauptvorwurf. Die Mannschaft von Trainer Gareth Southgate zeigte dann im Halbfinale gegen die Niederlande (2:1) ihren mit Abstand besten Auftritt und zog wie schon 2021 ins Endspiel ein. Sportschau.de vergleicht die wahrscheinlichen Startformationen.
Unai Simón im spanischen Tor spielt ein solides Turnier. Der 27-Jährige wurde bislang nur dreimal bezwungen und parierte 80 Prozent der Schüsse auf sein Tor. Darunter war gegen Kroatien (3:0) auch ein Elfmeter von Bruno Petkovic. Allerdings ist Simón fußballerisch nicht der sicherste. Der Keeper von Athletic Bilbao neigt unter Druck zu Fehlern im Spielaufbau.
Jordan Pickford im Kasten der “Three Lions” präsentiert sich bei der EURO in guter Form. Der 30-Jährige wehrte 76 Prozent der Schüsse auf sein Tor ab und sicherte seinem Team im Viertelfinale gegen die Schweiz mit seiner Parade gegen Manuel Akanji im Elfmeterschießen das Weiterkommen. Schwächen hat Pickford in der Strafraumbeherrschung. Dazu kommt eine hohe Streuung bei langen Pässen im Spielaufbau, sodass Pickford und Simón ungefähr auf Augenhöhe liegen.
Bei Spanien werden wohl Aymeric Laporte und der nach einer Gelbsperre im Halbfinale zurückkehrende Robin Le Normand die Innenverteidigung bilden. Laporte präsentiert sich bei der EM sehr zweikampfstark. Der 30-Jährige behielt in 63 Prozent seiner direkten Duelle am Boden und 69 Prozent in der Luft die Oberhand. Der Saudi-Arabien-Legionär gilt als technisch starker Aufbauspieler, der viele Situationen bereits durch eine gute Antizipation entschärft. Le Normands Zweikampfquote indes ist für einen Innenverteidiger mit lediglich 49 Prozent unterdurchschnittlich, auch in seinen Kopfballduellen (rund 48 Prozent) hat er oft das Nachsehen. Dafür gilt er als sehr passsicher.
Die englische Abwehrzentrale mit John Stones und Marc Guéhi spielt ein ordentliches Turnier. Stones agiert am Boden und in der Luft zweikampfstark und nimmt im Aufbauspiel der “Three Lions” eine wichtige Rolle ein, was 83 Ballkontakte pro 90 Minuten belegen. Guéhi hat ähnliche Stärken. Er ist mit knapp 67 Prozent gewonnener Duelle bester englischer Zweikämpfer, ist passsicher und verfügt über eine gute Antizipation. Stones und Guéhi ließen im Halbfinale gegen die Niederlande wenig zu, daher heißt es in der Innenverteidigung: leicher Vorteil England.
Spanien atmet auf: Der im Halbfinale gesperrt fehlende Daniel Carvajal kehrt gegen England zurück. Der 32-Jährige von Real Madrid ist ein Rechtsverteidiger auf Weltklasse-Niveau, dessen Fokus auf der defensiven Absicherung liegt, der aber trotzdem gerne offensive Nadelstiche setzt. Zudem ist Carvajal bei Standards immer ein Faktor. Links hinten ist Marc Cucurella seit dem Viertelfinale gegen Deutschland in aller Munde, als ihm Jamal Musiala aus kurzer Distanz an den etwas ausgestreckten, aber nicht unnatürlich gehaltenen Arm schoss, es aber keinen Elfmeter fürs DFB-Team gab. Der 25-jährige Cucurella gilt als dynamisch, passsicher und zweikampfstark.
Auf der rechten Seite hat England in Person von Kyle Walker vor allem Schnelligkeit zu bieten, allerdings kommt bei den Offensivaktionen des 34-Jährigen unterm Strich zu wenig heraus. Kieran Trippier links hinten ist anzumerken, dass es nicht seine Idealposition ist. Defensiv ist seine Leistung in Ordnung, für die Offensive tut der 33-Jährige aber sehr wenig. Somit können die englischen Außenverteidiger mit den spanischen Akteuren nicht mithalten.
Das zentrale Mittelfeld ist das spanische Prunkstück. Rodri dominiert dort das Spiel. Der 28-Jährige ist der Denker und Lenker von “La Roja” und spielt bislang ein überragendes Turnier: Er war bei den Iberern im Turnierverlauf am häufigsten am Ball (453-mal), weist eine Passquote von 95 Prozent auf und gewann darüber hinaus für einen Mittelfeldspieler überragende 64 Prozent seiner Zweikämpfe. Stark in Form ist auch Dani Olmo, der im Viertelfinale gegen Deutschland für den früh verletzten Pedri ins Team kam, ein Tor erzielte, den Siegtreffer vorbereitete und im Halbfinale gegen Frankreich direkt wieder zum 2:1 traf. Komplettiert wird das spanische Mittelfeld-Trio von Fabián Ruiz, der bereits an vier Toren direkt beteiligt war.
Das englische Mittelfeld ist ebenfalls stark besetzt. Declan Rice ist ein Top-Sechser, der sich allerdings im Halbfinale gegen die Niederlande vor dem 0:1-Gegentreffer von Xavi Simons in der eigenen Hälfte den Ball klauen ließ. Neben ihm, in einer etwas offensiveren Rolle, agiert der 19-jährige Kobbie Mainoo mit jugendlicher Unbekümmertheit, Zweikampfstärke und offensiven Nadelstichen. Vor den beiden spielt mit Jude Bellingham auf der Zehn ein Weltklasse- und Unterschiedsspieler, der die Fäden im englischen Spiel zieht. Trotzdem hat “La Roja” im Mittelfeld knapp die Nase vorn.
Lamine Yamal (rechter Flügel) und Nico Williams (links) begeistern bei der EM 2024 bislang als “spanische Wunderkinder”. Yamal, der am Tag vor dem EM-Finale 17 Jahre alt wird, hat bei diesem Turnier bereits zahlreiche Rekorde geknackt, sein Potenzial scheint grenzenlos zu sein. Der 21-jährige Williams ist ein pfeilschneller Flügelstürmer, dem man wegen seines Antritts keinen Meter Raum lassen darf. Im Sturmzentrum baut Spanien auf Alvaro Morata. Der 31-Jährige ist als Kapitän ein wichtiger Faktor, der sich gerne in Zweikämpfen aufreibt, allerdings wartet er seit dem ersten Gruppenspiel gegen Kroatien (3:0) auf einen Treffer.
Der englische Angriff ist vom Potenzial her Weltklasse. Bukayo Saka (rechts), Phil Foden (Allrounder, der oft über links kommt) und Harry Kane (zentral) sind absolute Elite-Offensivspieler, die bei der EM bislang nicht ihr volles Können abgerufen haben. Dennoch sind die “Three Lions” bei dieser Besetzung vorne im Vorteil.
Spanien ist im Duell zweier großer und tradtitionsreicher Fußballnationen der leichte Favorit. Im Tor herrscht zwischen den beiden Ländern Augenhöhe. Im Abwehrzentrum liegt England leicht vorne, während Spanien auf den defensiven Außenbahnen Vorteile haben sollte. Spanien ist im Mittelfeldzentrum besser besetzt, während England den stärkeren Angriff aufweist – zumindest auf dem Papier.
Wenn beide Teams ihre bisherigen Leistungen bestätigen, dann dürfte sich Spanien mit dem dann vierten Titel zum Rekord-Europameister krönen. Doch England hat bei der EM 2024 bewiesen, wie schwer es zu schlagen ist. Die “Three Lions” zogen schon mehrfach den Kopf aus der Schlinge und steigerten sich im Turnierverlauf. Eine Chance für die Briten liegt auch darin, dass einige Akteure bislang unter ihren Möglichkeiten performten – und somit noch Luft nach oben haben. Das Endspiel wäre ein guter Zeitpunkt, dieses Potenzial abzurufen.