Ein spätes Joker-Tor hat diese Europameisterschaft entschieden: Mikel Oyarzabal ließ die Spanier im Finale gegen England jubeln, die “Furia Roja” ist dank des 2:1-Erfolges am Sonntagabend (14.07.2024) nun mit vier Titeln Rekord-Champion. Auch ein Novum: Dass ein Europameister alle sieben Turnierspiele gewonnen hat, gab es in der Geschichte dieses Wettbewerbs noch nie.
Nico Williams hatte die Mannschaft von Luis de la Fuente in der 47. Minute in Führung gebracht, Cole Palmer traf in der 73. Minute zum Ausgleich. Als die Verlängerung schon in der Berliner Luft lag, gelang Oyarzabal vier Minuten vor Ende der regulären Spielzeit der Siegtreffer. “Wunderbar. Ich bin so froh. Wir sind Europameister!”, rief Williams, der zum Spieler des Spiels gewählt wurde.
Dani Olmo feierte im Sportschau-Interview: “Wir hatten das ganze Turnier über den Glauben, hier etwas Großes erreichen zu können. Es war verrückt, wie uns unsere Fans hier unterstützt haben.”
Die Partie begann mit einem hohen Maß an defensiver Disziplin auf beiden Seiten – und einem Minimalmaß an Spektakel. Am besten war das Geschehen an der Präsenz von Harry Kane abzulesen: Nach 20 Minuten hatte der Kapitän der Engländer einen Ballkontakt auf dem Konto – das war der Anstoß gewesen.
Nach einer halben Stunde hatte er auf drei aufgestockt, aber auch schon eine Gelbe Karte eingesammelt: Bei seinem überharten Einsteigen gegen Fabián Ruiz war dem Bayern-Goalgetter deutlich die Unzufriedenheit mit dem bisherigen Verlauf des Abends anzumerken.
Bis zur Pause wurde es nicht besser. Ganz anders als beim phasenweise regelrecht erfrischenden Halbfinal-Auftritt gegen die Niederlande verzichteteb nicht nur Kane, sondern die Three Lions insgesamt weitgehend auf Ballbesitz: Spanien lag zur Pause bei knapp 64 Prozent, schlug daraus aber null Kapital im Bereich Torgefahr.
Fast wäre dann sogar noch England als Meister der Effizienz aufgetreten: Sekunden vor der Pause verlängerte Robin Le Normand einen Freistoß unfreiwillig auf den zweiten Pfosten, an dem Phil Foden aus dem Nichts auftauchte – doch Spaniens Keeper Unai Simón war rechtzeitig im kurzen Eck.
Fans des gepflegten Defensiv-Fußballs waren allerdings voll auf ihre Kosten gekommen. Gareth Southgate hatte seine Dreierkette durch die Hereinnahme von Luke Shaw für Kieran Trippier wieder in eine Viererreihe verwandelt, mit dem Effekt, dass die beiden spanischen Flügel-Wunderkinder Lamine Yamal und Nico Williams überhaupt keine Räume fanden.
Das bisschen, das durchkam, war bei John Stones und Marc Guéhi in allerbesten Händen, sodass ähnlich wie Kane auf der anderen Seite auch Spaniens Mittelstürmer Álvaro Morata komplett abgemeldet war.
Mit Beginn des zweiten Durchgangs war all das Makulatur. Die Spanier kamen wie entfesselt aus der Kabine, dabei hatten sie gerade noch ihren verletzten Mittelfeld-Chef Rodri durch Martin Zubimendi ersetzen müssen. Doch dann erwischte Dani Carvajal mit einem Außenrist-Pass auf Lamine Yamal den bis dahin stabilen Shaw komplett auf dem falschen Fuß, Yamal zog in die Mitte, legte quer auf seinen Kumpel Williams – der jagte die Kugel mit beeindruckender Präzision an Jordan Pickford vorbei ins rechte Eck.
Spaniens Nico Williams jubelt nach seinem Treffer gegen England
England taumelte, und Spanien schraubte am Blitz-K.o. Drei Minuten nach dem 1:0 hatte Dani Olmo den nächsten Treffer auf dem Fuß, verzog aber knapp. Auch in der 56. Minute lag das 2:0 in der Luft, über Morata kam erneut Williams zu einem gefährlichen Abschluss, sein Distanzkracher verfehlte das linke Eck nur um Zentimeter.
Southgate musste reagieren, und er wagte sich an sein Denkmal. Das war nachvollziehbar: Kane hatte bis zu seiner Auswechslung in der 61. Minute ganze zwölfmal die Kugel berührt, war mit weitem Abstand der am wenigsten am Finale beteiligte Spieler. Selbst sein Torwart hatte zum gleichen Zeitpunkt knapp dreimal so viele Ballkontakte.
Southgate brachte zunächst wieder seinen Edel-Joker Ollie Watkins, neun Minuten später dann auch Cole Palmer. Und die Statik veränderte sich. England wurde druckvoller, setzte durch Jude Bellinghams Distanzschuss auch mal wieder ein offensives Lebenszeichen (64.). Bellingham sah sich ohne Kane nun deutlich mehr gefordert – und lieferte: Im Fallen passte er aus dem Strafraum zurück auf Palmer, dessen Flachschuss aus 21 Metern unhaltbar für Unai Simón im linken Eck einschlug.
Das Momentum pendelte nun auf die englische Seite, doch ab der 80. Minute fing sich Spanien wieder und hatte nach einer Traumkombination über Williams und Olmo die nächste Großchance: Pickford parierte aber glänzend gegen Yamal. Doch ein finales Ausrufezeichen setzte die “Furia Roja” noch.
Ausgerechnet Marc Cucurella, der sich auch in Berlin wieder Pfiffe wegen seines Handspiels gegen Deutschland hatte anhören müssen, schlug den perfekten Pass in die Mitte, wo Spaniens Joker Oyarzabal die Kugel über die Linie drückte. England hatte in der 90. Minute zwar noch eine doppelte Ausgleichschance, doch Olmo rettete zunächst gegen den Guéhi-Kopfball auf der Linie, dann köpfte Declan Rice knapp am Pfosten vorbei.
Kurz nach der Partie bekam Spanien noch zwei weitere Auszeichnungen: Lamine Yamal, der einen Tag vor dem Endspiel 17 Jahre alt geworden war, wurde zum besten Jungspieler der EURO gekürt. Die Auszeichnung als bester Spieler des gesamten Turniers wurde Rodri zuteil.