Die Idee, von Computern erzeugte Abwärme zu nutzen, um kostenlos Wasser zu erwärmen, wurde nicht in einem Hightech-Labor geboren, sondern in einer eher heruntergekommenen Landwerkstatt tief in den Wäldern von Godalming, England.
„Die Idee, die Abwärme von Computern zu nutzen, liegt schon seit einiger Zeit in der Luft“, erklärt Chris Jordan, ein 48-jähriger Physiker, aber erst jetzt erlaube die Technologie, dies auch angemessen umzusetzen. „Hier habe ich den Prototyp des Wärmeleiters entwickelt, der die Wärme von den Computerprozessoren in den mit Wasser gefüllten Zylinder leitet“, sagt er und öffnet die Tür seiner Werkstatt, in der ein 90-Liter-Elektroboiler steht. „Wir haben erste Tests gemacht, und dann war uns klar, dass es funktionieren könnte.“ Jordan ist Mitbegründer und Technischer Leiter von Heata, einem englischen Startup, das ein innovatives Cloud-Netzwerk entwickelt hat, bei dem Computer an die Heizkessel in den Wohnungen der Menschen angeschlossen werden.
Dieser Text ist zuerst in der Ausgabe 8/2023 von MIT Technology Review erschienen. Hier könnt ihr die TR 8/2023 bestellen.
Neben dem Heizkessel steht ein Computer mit einem Aufkleber: „Dieser leistungsstarke Computerserver überträgt seine Prozessorabwärme auf das Wasser in Ihrem Speicher.“ Das grüne LED-Licht zeige an, dass der Kessel in Betrieb sei, erklärt Jordan. „Die Maschine empfängt Daten und verarbeitet sie. Auf diese Weise sind wir in der Lage, das Äquivalent von 4,8 Kilowattstunden Warmwasser zu übertragen, was in etwa dem Tagesverbrauch einer durchschnittlichen Familie entspricht.“
Wer sich bei Heata anmeldet, dem stellt das Unternehmen einen Server in der Wohnung auf, der über das Wi-Fi-Netz mit ähnlichen Servern in anderen Wohnungen verbunden ist. Sie alle verarbeiten Daten von Unternehmen, die Heata für Cloud-Computing-Dienste in Anspruch nehmen. Über die Warmwasser-Erzeugung verhindert jeder Server den Ausstoß von etwa einer Tonne Kohlendioxid-Äquivalent pro Jahr – und spart den Hausbesitzern durchschnittlich 250 Pfund pro Jahr für Warmwasser. Das ist ein beachtlicher Preisvorteil in einer Region, in der sich 13 Prozent der Einwohner keine Heizung leisten können. Das Heata-Experiment, das durch einen Zuschuss von Innovate UK, einer nationalen Regierungsbehörde, finanziert wurde, ist in der Grafschaft Surrey seit gut zwei Jahren aktiv. Bislang wurden 80 Geräte installiert und weitere 30 sollen bis Ende Oktober mit einem Heizkessel ausgestattet werden.
Die Lösung von Heata sei „besonders elegant“, sagt Mike Pitts, stellvertretender Direktor von Innovate UK, denn sie sei eine Möglichkeit, „Strom doppelt zu nutzen – für die Bereitstellung von Dienstleistungen für eine schnell wachsende Branche, das Cloud-Computing, und von Warmwasser für den Haushalt“. Das Startup ist jetzt Teil der Innovate UK’s Net Zero Cohort: Es gilt als zentrales Element, um eine Wirtschaft zu fördern, die Kohlenstoffemissionen entweder eliminiert oder durch andere Technologien ausgleicht.
Das Verfahren von Heata ist einfach, bedeutet aber einen radikalen Wandel hin zu einem nachhaltigen Rechenzentren-Management: Statt mit Ventilatoren – was teuer und energieintensiv ist – werden die Computer über eine patentierte Wärmebrücke gekühlt, die die Wärme von den Prozessoren zur Kesselhülle transportiert. Und statt mit einem Rechenzentrum an einem energieintensiven Standort zu arbeiten, fungiert Heata als Vermittler für die Datenverarbeitung: Es nimmt Arbeitspakete entgegen und verteilt sie zur Prozessierung an lokale Häuser. Unternehmen, die Daten verarbeiten müssen, nutzen das Heata-Netz als nachhaltige Alternative zur herkömmlichen Datenverarbeitung.
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Das Unternehmen hat etwas geschaffen, das der Designer und Mitbegründer von Heata, Mike Paisley, als diffuses Rechenzentrum bezeichnet. Anstatt ein Gebäude mit vielen Servern zu kühlen, erklärt er, „verlagert unser Nachhaltigkeitsmodell die Datenverarbeitung dorthin, wo Wärme benötigt wird, und nutzt thermische Energieabfälle, um kostenloses Warmwasser für diejenigen bereitzustellen, die es benötigen.“
Die am Heata-Experiment beteiligten Personen sind sehr unterschiedlich, was Alter und Haushaltszusammensetzung betrifft. Ebenso vielfältig sind ihre Gründe für die Teilnahme: die Notwendigkeit, Geld zu sparen; Liebe zur Umwelt; der Wunsch, einen Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel zu leisten, oder auch schlicht die Faszination, zu sehen, wie ein Computer Wasser erhitzt.
Zu den zufriedenen Kunden gehört auch Helen Whitcroft, Bürgermeisterin von Surrey Heath. „Wir haben schon vor vielen Jahren damit begonnen, unseren ökologischen Fußabdruck zu verringern, indem wir Photovoltaikanlagen installiert haben“, sagt sie. „Vor Kurzem haben wir Batterien gekauft, um die von uns erzeugte Energie zu speichern. Auch die Neugierde hat uns angetrieben: Es schien nicht möglich, mit einem Computer Wasser zu erhitzen, aber es funktioniert.“
Dieser Artikel stammt von Luigi Avantaggiato.