Der VfL Wolfsburg kann aufatmen! Seit dem vergangenen Wochenende, an dem der VfL mit 3:0 gegen den SV Darmstadt gewann, ist gesichert, dass der Meister von 2009 auch nächste Saison im Oberhaus spielt. Dafür war allerdings ein Trainerwechsel nötig. Nach dem 26. Spieltag wurde Niko Kovac freigestellt und Ralph Hasenhüttl geholt. Nach Anfangsschwierigkeiten schaffte es der neue Trainer, die Mannschaft wieder zu stabilisieren.
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Im SPORT1-Interview spricht er exklusiv über den Wandel in der Mannschaft, seinen Sohn, den er als Co-Trainer holte, und besondere Eindrücke aus der Premier League.
SPORT1: Herr Hasenhüttl, welche Veränderungen sehen Sie in ihrer Mannschaft?
Hasenhüttl: Wir haben mehr Selbstbewusstsein. In manchen Teilen hatte das in den letzten Spielen etwas gelitten, weil wir einfach viel zu viel zugelassen haben. Man hat schon gemerkt, dass noch nicht alle Abläufe passen. Aber wir haben auch gezeigt, dass wir immer wieder für Tore gut sind und den Gegner vor Probleme stellen können.
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SPORT1: Sie haben ihren Sohn zum Co-Trainer gemacht. War das schon immer geplant?
Hasenhüttl: Wir haben über diese Möglichkeit philosophiert. Als erfahrener Trainer will man irgendwann sein Wissen weitergeben – und überlegt dann ganz genau, an wen. Es war naheliegend, dass ich die Chance nutzen möchte, das meinem Sohn weiterzugeben. Wenn er bei mir im Team ist und das von der Pike auf lernt, nebenbei seine Trainerscheine macht – davon kann er wirklich profitieren.
Der VfL Wolfsburg hat sich unter Ralph Hasenhüttl wieder stabilisert
Hasenhüttl: Ich hätte die Entscheidung nicht so getroffen, wenn ich es ihm nicht zutrauen würde. Er gibt besonderen Input, weil er noch ein bisschen als Spieler denkt. Das ist ganz, ganz wichtig in einem Trainerteam, dass die Mischung auch passt. Wir haben eine gute Balance.
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SPORT1: Wie kam diese Konstellation in der Mannschaft an?
Hasenhüttl: Wenn wir erfolgreich sind, kommt es immer gut an – wenn wir nicht erfolgreich sind, dann nicht. Das ist mit allem so. Wichtig ist, dass er sich den Respekt der Mannschaft erarbeitet. Die Spieler merken schnell, was das für einer ist, ob er Ahnung von dem hat, wovon er redet.
Schäfer-Aus? „Es war schon überraschend“
SPORT1: Wie haben Sie das Aus von Marcel Schäfer wahrgenommen?
Hasenhüttl: Es war schon überraschend. Aber ich habe allerhöchste Hochachtung vor dem Menschen Marcel Schäfer, der mich davon überzeugt hat, hierherzukommen. Er ist ein überragender Mensch und Typ, hat für den Verein hier viel geleistet und wird immer eine Legende des VfL Wolfsburg bleiben. Wir haben nach wie vor Kontakt, er schreibt mir und gratuliert mir zu Siegen. Aber es ist schade, dass wir uns nicht gemeinsam freuen können, denn das hätte ihm sicher auch etwas gegeben.
SPORT1: Sie haben vier Jahre in der Premier League gearbeitet – was haben Sie mitgenommen?
Hasenhüttl: Viele schöne Erinnerungen, viele schöne Momente in einer Wahnsinns-Liga, die einfach ein Becken von allen Fußballnationen und Fußballphilosophien ist, wo die besten Trainer aus allen Ländern zusammenkommen und sich messen. Diese Liga hat eine ganz spezielle Aura. Vier Jahre dort Trainer sein zu dürfen, ist ein riesiges Privileg und dafür bin ich unfassbar dankbar.
SPORT1: Können Sie sich eine Rückkehr vorstellen?
Hasenhüttl: Ich werde die Premier League weiter verfolgen – wer weiß, vielleicht kommt nochmal die Situation, wo man wieder einen Verein übernimmt. Aber momentan bin ich hier sehr glücklich und freue mich auf die Bundesliga, die in den letzten Jahren auch wieder an Qualität gewonnen hat. Die Bundesliga wird weltweit wahrgenommen, aber vielleicht immer noch unter Wert.
Hasenhüttl offenbart: „Ich bin beschimpft worden“
SPORT1: Der Traum von der Premier League lebt also noch – sind auch Spanien oder Frankreich Ziele?
Hasenhüttl: Im Winter sage ich mir oft, dass ich nochmal nach Spanien oder Italien gehen müsste. Im Winter mit der kurzen Hose auf dem Platz zu stehen, das hätte auch was (lacht). Ich werde im Sommer 57, so viele Vereine werden es wohl nicht mehr werden. Aber man weiß nie was kommt. Ich merke schon, dass der Fußball mich nicht so ganz loslässt. Bei interessanten Angeboten ist es schwer, Nein zu sagen.
SPORT1: Welche Besonderheit haben Sie in England kennengelernt.
Hasenhüttl: Der Fan will die besten Spieler auf dem Platz sehen. Das Schlimmste für den Engländer ist, wenn du rotierst und er seine Superstars nicht sieht. Das vertragen sie gar nicht. Rotation ist trotz der vielen Spiele verpönt.
SPORT1: Wie moderiert man das als Trainer?
Hasenhüttl: Ich bin beschimpft worden, weil ich im FA Cup neun Spieler rotiert habe. Wir haben 3:1 gewonnen, dann war da wieder Ruhe. Dir wird sofort vorgeworfen, dass du den Wettbewerb nicht ernst nimmst. Aber es geht manchmal nicht anders. Ich habe aber auch gelernt, dass Spieler mehr leisten können, als es ihnen in Deutschland zugemutet wird. Wir hatten Spieler, die haben jede Minute in jedem Spiel gespielt, das war schon beeindruckend.
SPORT1: Ist das Umfeld in Deutschland zu weich?
Hasenhüttl: Nein, das hat sich so eingepegelt. Auf der Insel ist die englische Woche normal. Im athletischen Bereich sind die Spieler einfach top ausgebildet, deswegen sind sie auch in der Lage, dieses Pensum zu erfüllen.
Nach dem Trainerwechsel haben die Spieler vom VfL Wolfsburg wieder Grund zum Jubeln
SPORT1: Wie war Ihre Verbindung nach Wolfsburg über die Jahre?
Hasenhüttl: Natürlich verfolgt man die Bundesliga. Als Wolfsburg unter Oliver Glasner in der Champions League war, habe ich sie genauer verfolgt.
SPORT1: Kennen Sie Oliver Glasner eigentlich persönlich?
Hasenhüttl: Natürlich. Wir waren sogar einmal zufällig im selben Hotel im Urlaub, deswegen kennen wir uns schon ein bisschen länger. Wir hatten uns auch zuvor schon immer mal ausgetauscht. Er hat damals auch immer mal wieder nachgefragt hat, wenn es gegen englische Vereine ging. Er war sich nicht zu schade, sich mal einen Rat einzuholen, das finde ich top. Er ist sowieso ein sehr akribischer und guter Trainer.
„Das hat sich in Deutschland sofort wieder geändert“
SPORT1: Sie haben gesagt, wie sehr Sie Ihre Auszeit vor Wolfsburg genossen haben – wie viel Energie kostet dieser Trainerjob?
Hasenhüttl: Sehr viel Energie. Man steht ständig unter Beobachtung, kann nicht unerkannt auf die Straße gehen. Das hat sich in Deutschland sofort wieder geändert. Das ist eine ganz andere Lebensqualität, wenn du dich auch mal in ein Café setzen kannst, ohne dass dich gleich jemand anquatscht. Das wieder einmal erleben zu dürfen, mein „altes Leben“ zurückzubekommen, habe ich sehr genossen. Aber ich habe auch Dinge aus dem Job vermisst.
SPORT1: Haben Sie sich Gedanken gemacht, wie lange Sie diesen Job noch machen wollen?
Hasenhüttl: Nein, ich habe mir Gedanken gemacht, ob das immer so gesund ist. Die Gesundheit ist das Allerwichtigste. Solange ich gesund bin, werde ich mir auch kein Limit setzen. Ich habe schon gelernt, dass man auf seinen Körper achten muss.
SPORT1: Ihr alter Weggefährte Ralf Rangnick hat Bayern abgesagt – warum tut sich der Klub so schwer, einen neuen Trainer zu finden?
Hasenhüttl: Ich kann mir erklären, warum er abgesagt hat – weil es in meiner Heimat so schön ist, dort Trainer zu sein, meine Landsleute ihn so lieben für seine Arbeit und er deswegen keine Lust hat, irgendwo anders hinzugehen. Ich freue mich sehr, dass er sich für Österreich und die Nationalmannschaft entschieden hat. Ich bin mir auch hundertprozentig sicher, dass es noch den richtigen Trainer für den FC Bayern gibt.