Ist es schädlich für die Gesundheit, über Jahre hinweg sportlich an seine Grenzen zu gehen und darüber hinaus? Eine Studie aus Australien und Kanada widerlegt einen weit verbreiteten Irrglauben: Extremes Training verkürzt das Leben nicht, sondern verlängert es sogar.
Die weit verbreitete Annahme, dass extreme sportliche Belastungen die Lebensdauer verkürzen, scheint widerlegt zu sein. Dies geht aus einer Studie hervor, die von australischen und kanadischen Forschern durchgeführt und im „British Journal of Sports Medicine“ publiziert wurde. Die Wissenschaftler untersuchten die Lebenserwartung der ersten 200 Athleten, die eine Meile in unter vier Minuten absolvierten.
Sir Roger Bannister lief 1954 als erster Mensch die Meile (1,6 Kilometer) unter 4 Minuten. Für seine sportlichen Leistungen wurde er später geadelt, er verstarb 2018 im Alter von 88 Jahren. Sein hohes Alter könnte darauf hindeuten, dass die extremen Belastungen, denen er sich als Spitzenläufer ausgesetzte, seiner Gesundheit nicht geschadet haben.
► Lange galt es als unmöglich, eine Meile (1,6 km) in vier Minuten oder schneller zu laufen. Und man ging davon aus, dass die gesundheitlichen Folgen einer solch übermenschlichen Leistung verheerend sein würden, wenn es gelänge.
► Dem britischen Mittelstreckenläufer Roger Bannister gelang es im Mai 1954, die scheinbar unüberwindbare Mauer zu durchbrechen: 3 Minuten und 59,4 Sekunden! Nur wenige Wochen später schafften es auch andere Elite-Läufer – und unterboten Bannisters Bestmarke sogar.
► Genau das wird bis heute „Bannister-Effekt“ genannt: Durch seine Überwindung von körperlichen und mentalen Grenzen hat er den Weg für andere freigemacht, indem er zeigte: Ihr habt euch getäuscht, es ist möglich!
Ein gesundheitsfördernder Lebensstil mit regelmäßiger, moderater Bewegung wird allgemein als Schlüssel zu einem langen Leben angesehen. Ein Forschungsteam unter der Leitung von Professor André La Gerche vom Victor Chang Cardiac Research Institute in Australien wollte jedoch prüfen, ob extremes Training negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben und die Lebenserwartung verkürzen könnte.
La Gerche erklärte in einer Pressemitteilung des Forschungsinstituts: „Unsere Studie zielte darauf ab, herauszufinden, wie sich Sport auf lange Sicht auf Spitzensportler auswirkt. Wir wissen, dass Spitzensportler aufgrund ihrer anhaltenden aeroben Leistung ein größeres Herz haben, und es gab einige Annahmen, dass dies ihre Gesundheit und Langlebigkeit beeinträchtigen könnte, aber wir fanden das Gegenteil.“
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La Gerche und sein Team von der University of Alberta in Kanada untersuchten für die Studie „Outrunning the grim reaper: Longevity of the first 200 sub-four-minute mile runners“ die Gesundheitsdaten der ersten 200 Menschen, die eine Meile in unter vier Minuten gelaufen sind. Die Forscher erfassten nicht nur die Lebensdauer der Läufer, sondern analysierten auch ihre Krankenakten, um festzustellen, wie gesund sie waren.
Die Studienteilnehmer …
Die Forscher erfassten nicht nur, wie alt die Läufer wurden. Sie analysierten anhand ihrer Krankenakten auch, wie gesund ihr Leben war.
Die Forscher stellten fest, dass nur 60 der Läufer im Untersuchungszeitraum verstorben waren. Das durchschnittliche Sterbealter lag bei 73 Jahren, wobei die Spanne zwischen 24 und 91 Jahren lag. Das Durchschnittsalter der noch lebenden Läufer betrug 77 Jahre (zwischen 68 und 93 Jahren).
Im Durchschnitt lebten diejenigen, die 1,6 km in weniger als 4 Minuten laufen konnten, 4,7 Jahre länger als ihre prognostizierte Lebenserwartung – basierend auf Geschlecht, Alter, Geburtsjahr, Leistungsalter und Nationalität.
La Gerche betonte: „Fünf zusätzliche Lebensjahre im Vergleich zum Durchschnitt sind sehr bedeutsam, insbesondere wenn wir feststellen, dass viele dieser Läufer nicht nur ein langes Leben hatten, sondern auch gesund waren“.
Viele Studien haben bereits die positiven Auswirkungen von Bewegung auf ein langes, gesundes Leben nachgewiesen. Diese Studie bestätigt dies erneut – sogar auf dem Trainingsniveau, das für den Spitzensport erforderlich ist und lange als kontraproduktiv für ein gesundes Leben angesehen wurde. Intensives aerobes und anaerobes Training erhöht zwar die Möglichkeit, den Körper an seine Grenzen zu bringen. Dies scheint jedoch keinen Einfluss auf die Lebensdauer zu haben, und wenn überhaupt, so die Forscher, scheint es diese zu verlängern.
Es ist zu beachten, dass die Forscher keine Informationen über die lebenslangen Trainingsgewohnheiten (oder andere Gesundheitsverhaltensweisen) der 200 in die Studie einbezogenen Athleten hatten. Daher kann kein direkter Zusammenhang zwischen der Trainingsdosis und der Langlebigkeit hergestellt werden.
Darüber hinaus wurden nur Männer in die Studie einbezogen, da noch keine Frau eine Meile in unter vier Minuten gelaufen ist. Es konnte auch nicht beurteilt werden, wie sich andere Lebensstilfaktoren wie Ernährung und Rauchen sowie Risikofaktoren oder medizinische Faktoren wie Bluthochdruck und hoher Cholesterinspiegel auf die Langlebigkeit auswirken könnten. Die Auswahl von Elite-Läufern legt nahe, dass es sich um eine Vorauswahl von überdurchschnittlich gesunden Menschen handelt, da Sport auf diesem Niveau kaum mit ernsthaften Vorerkrankungen vereinbar ist. Ein Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung kann daher nicht eindeutig gezogen werden.
Intensives Training scheint keine negativen Auswirkungen auf Gesundheit und Langlebigkeit zu haben – im Gegenteil. Laut Studie leben Elite-Läufer durchschnittlich etwa fünf Jahre länger. „Nicht jeder muss in der Lage sein, eine Meile unter vier Minuten zu laufen, um bis ins hohe Alter gesund zu bleiben“, gibt Studienautor La Gerche zu bedenken. Es sei jedoch notwendig, regelmäßig Sport zu treiben und das Herz-Kreislauf-System zu trainieren.
Extreme Belastungen für das Herz-Kreislauf-System wie beim Laufen können natürlich auch ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und ähnliches darstellen – das zeigen auch die immer wieder auftretenden Todesfälle bei Volksläufen wie Halbmarathon oder Marathon. Ein effektives Training für die Herzgesundheit umfasst jedoch nicht nur leichte und moderate Belastungen, sondern auch intensivere Belastungen. Wie ein optimales Ausdauertraining in Ihrem individuellen Fall aussehen kann, sollten Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin bzw. Spezialisten aus Sportmedizin oder Trainingswissenschaft klären. So können Sie mögliche kardiovaskuläre Risiken ausschließen und sich sicher und angstfrei auch an intensivere Belastungen wagen.
In der Sportmedizin und Trainingswissenschaft wird häufig mit dem 5-Zonen-Modell für Herzfrequenz-basiertes Ausdauertraining gearbeitet. Während Zone 1 das leichteste Training im Regenerationsbereich darstellt, repräsentiert Zone 5 den Spitzenbereich mit maximalen Belastungen. Zone 5 spielt für das Training außerhalb des Leistungssports keine Rolle. Alle anderen Herzfrequenzbereiche sollten jedoch in das Training für ein starkes Herz-Kreislauf-System und eine gute Ausdauerfähigkeit einbezogen werden.
Ein besonderer Schwerpunkt sollte für Gesundheitssportler jeden Alters auf dem kaum anstrengenden Training in Zone 2 liegen (60 bis 75 Prozent der maximalen Herzfrequenz). Je nach gewählter Sportart – zum Beispiel Gehen, Wandern, Nordic Walking, Laufen, Radfahren oder Schwimmen – sind zwei bis drei Einheiten zwischen 30 Minuten und mehreren Stunden pro Woche optimal.
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Neben dem Ausdauertraining sollte auch das Muskeltraining in die Trainingsroutine für ein langes, gesundes Leben integriert werden. Die Bedeutung des Muskeltrainings nimmt mit dem Alter zu. „Als Faustregel gilt: Der Mensch verliert etwa ein bis drei Prozent seiner Muskelmasse pro Jahr, wenn er nichts tut“, erklärte Prof. Jürgen Gießing von der Universität Kaiserslautern-Landau im Gespräch mit Ippen Media. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt 18- bis 65-Jährigen mindestens zwei Krafttrainingseinheiten pro Woche, in denen alle großen Muskelgruppen gestärkt werden. In unserer PDF-Bibliothek finden Sie verschiedene Trainingspläne für unterschiedliche Fitnesslevel – egal, ob für Liegestütze, Seilspringen, Laufen oder Wandern. Einfach kostenlos herunterladen und loslegen!
Die Autorin ist eine ehemalige Leistungssportlerin, zertifizierte Skilehrerin und Fitnesstrainerin (B-Lizenz).