Eine Katastrophe sei er gewesen! Das soll Uli Hoeneß nun
Thomas Tuchel bei einer vereinsinternen Versammlung hinterhergerufen haben, so steht es in der aktuellen Sport
Bild. Vielleicht ist es nur Zufall, dass dieser Bericht auf den Tag fällt, an dem Tuchel
die Topnachricht im Weltfußball ist. Er übernimmt die Nationalmannschaft
Englands.
Darauf kann Tuchel stolz sein und die gewohnt stilvolle
Wortmeldung vom Tegernsee ignorieren. Sie erinnert allerdings an dieses für
alle Seiten peinliche Kapitel beim FC Bayern, das im Mai nach anfänglicher
Schockverliebtheit und anschließenden Irrungen und Wirrungen zu Ende ging. Und
das einige Zweifel an Tuchel hinterließ oder verstärkte.
Schon vor seinem Wechsel nach München im März 2023 war nicht
richtig klar, wie gut der Trainer Tuchel ist. Er war bei Paris Saint-Germain
und bei Chelsea – aber zählt er wirklich zur allerersten Reihe? Jetzt weiß man es
weniger denn zuvor.
Tuchel hatte den Verein überschätzt, aber auch sich selbst.
Er wollte die Bundesliga dominieren, doch unter ihm riss die Münchner Meisterserie, die mehr
als zehn Jahre dauerte. Die Bayern wurden vergangene Saison nicht mal Zweiter.
Schon 2023 wäre es ohne das Last-Minute-Tor von Jamal Musiala und dem Last-Minute-Scheitern von Borussia Dortmund schiefgegangen.
Es waren nicht nur die Resultate, die Tuchel ein schwaches
Zeugnis ausstatteten. Kaum ein Spieler entwickelte sich unter ihm weiter. Die
Abwehr war unsortiert, der Sturm griff ohne Plan an. Zudem äußerte er sich
manchmal kryptisch, trat wie ein Besserwisser auf und war unsouverän im
Dauerstreit mit TV-Experten wie Didi Hamann.
Unter seinem Nachfolger Vincent Kompany mag das Feintuning
der Mannschaft noch nicht stimmen, aber sie scheint wieder besser
geführt. Spieler wie Alphonso Davies und Dayot Upamecano scheinen endlich
Fortschritte zu machen. Die Bayern sind in der Liga wieder vorne.
Das wird man alles auch in England mitbekommen haben. Dort
kennt man natürlich Tuchels ganze Vita. Er kann Erfahrung an großen Standorten
vorweisen. Mit Dortmund wurde er Pokalsieger, mit Paris erreichte er das Finale
der Champions League, mit Bayern übrigens fast auch. Und man hat natürlich vor
Augen, dass Tuchel mit dem FC Chelsea 2021 die Champions League gewann. Nachdem
er bald darauf wegen einer Laune des Investors gehen musste, stürzte Chelsea
ins Mittelfeld der Tabelle. In England hielten viele seine Entlassung für einen
Fehler. Man hat ihn vermisst.
Auffällig ist allerdings, dass Tuchel (im Gegensatz zu
Jürgen Klopp) nach seinen Anfangsjahren in Mainz überall schnell gefeuert wurde, trotz seiner Erfolge. Nach seiner
ersten Station in Mainz hielt er sich nirgends viel länger als zwei Jahre.
Strategische Aufbauarbeit ist aber nur langfristig möglich. Das wirft auch eine
andere Frage auf: Wie groß war sein Anteil bei Chelsea, wo er im Moment des
Triumphs erst vier Monate am Werk war?
Tuchel muss noch den Platz finden, an den er passt. Jetzt ist er in England. Dort soll er die alte Fußballnation zu alter Größe
führen. Das ist an sich schon eine gewaltige Aufgabe. Noch komplizierter wird sie,
weil sein Vorgänger alles andere als erfolglos war. Gareth Southgate war
sogar der erfolgreichste Trainer seit den Sechzigerjahren, als England, mit
leichter Unterstützung von der Seitenlinie, seinen einzigen Titel gewann.
Southgate schied nie vor dem Viertelfinale aus, gleich zweimal hintereinander
stand er im EM-Finale, im Juli unterlag er in Berlin kurz vor Schluss den überragenden
Spaniern 1:2. Niemand seiner Vorgänger kann eine solche Bilanz vorweisen.
Southgate stand allerdings wegen seines defensiven Stils in
der Kritik. Man verlangte, dass er dominant spielt wie Spanien. Dabei hat der englische
Kader zwar hohen Marktwert, aber große sportliche Lücken. Einen Spielmacher,
analog zu Toni Kroos oder İlkay Gündoğan, hat England traditionell so wenig wie
Verteidiger, die sich mit modernem Spielaufbau auskennen. Geschweige denn einen
guten Tormann. Mit diesen Spielern ist viel mehr als pragmatischer Fußball kaum
möglich.
Ob Thomas Tuchel darauf eine Antwort findet, darf er jetzt
beweisen. Es zählt zu den Kernkompetenzen eines Trainers, die Stärken und
Schwächen seiner Fußballer richtig einzuschätzen. In München hat es genau daran
gehapert.
Erschwerend kommt hinzu, dass englische Fans und Medien,
verwöhnt von der Premier League, wo Stars aus aller Welt spielen, attraktiven
Fußball erwarten. Sonst sinkt die Laune rapide. Es ist wie beim Brexit: Das
Land überschätzt seine Ressourcen und träumt vom alten Empire. An den hohen
Erwartungen sind schon Sven-Göran Eriksson und Fabio Capello verzweifelt, die
jeweils mit der angeblichen Supergeneration nichts rissen.
Das heißt: Erfolg alleine wird für Tuchel nicht mal reichen,
sein Fußball muss auch noch Spaß machen. Wenn er Pech hat, macht er also gute
Arbeit und man wird dennoch unzufrieden sein. Nicht auszuschließen, dass
die Engländer mit Verspätung erkennen werden, was sie an Southgate hatten. Bei
der 1:2-Heimniederlage gegen Griechenland am vergangenen Donnerstag bekamen sie
eine erste Idee davon.
In England geht es zudem nicht so zimperlich zu wie in
Deutschland. Die Daily Mail begrüßte Tuchel mit dem Hinweis: “Wir
brauchen keinen Thomas Tuchel, sondern einen Patrioten.” Vielleicht wird sich
Tuchel bald Didi Hamann zurückwünschen.
Eine Katastrophe sei er gewesen! Das soll Uli Hoeneß nun
Thomas Tuchel bei einer vereinsinternen Versammlung hinterhergerufen haben, so steht es in der aktuellen Sport
Bild. Vielleicht ist es nur Zufall, dass dieser Bericht auf den Tag fällt, an dem Tuchel
die Topnachricht im Weltfußball ist. Er übernimmt die Nationalmannschaft
Englands.
Darauf kann Tuchel stolz sein und die gewohnt stilvolle
Wortmeldung vom Tegernsee ignorieren. Sie erinnert allerdings an dieses für
alle Seiten peinliche Kapitel beim FC Bayern, das im Mai nach anfänglicher
Schockverliebtheit und anschließenden Irrungen und Wirrungen zu Ende ging. Und
das einige Zweifel an Tuchel hinterließ oder verstärkte.